Informelles Interview mit Desmond Doulatram

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Am Freitag, dem 17.11.2023 haben wir ein informelles Interview mit Desmond Doulatram geführt. Er lehrt am Fachbereich Geisteswissenschaften am College of the Marshall Islands (CMI). Seine Schwerpunkte liegen in den Fächern “Geschichte der Marschallinseln”, „Pazifikstudien“ und „zeitgenössische soziale Probleme in Mikronesien“.

Wir trafen uns zur Mittagszeit in einem Restaurant/Bar in Uliga, einem der Ortsteile hier auf Majuro. Desmond wartet bereits auf uns, mit seinem Laptop auf dem Tisch. Er ist viel beschäftigt und musste nach unserem Gespräch auch schnell los, zum nächsten Termin.

Desmond berichtete uns viel über aktuelle und soziale Probleme und über historische Ereignisse, die die Marschallinseln bis heute beeinflussen. Zwei sehr wichtige Themenkomplexe, über die wir gesprochen haben, sind der Klimawandel und seine weitreichenden Konsequenzen für das Leben auf den Marschallinseln und die koloniale Vergangenheit der Marschallinseln, in der Deutschland eine große Rolle gespielt hat.

Der Klimawandel bedroht die Marschallinseln logischerweise stärker als die meisten Orte auf einem Festland. Es gibt mehrere Maßnahmen im Bereich der Klimaanpassung, die durchgeführt werden können, um manche der Inseln auf die größten, durch den Klimawandel entstehenden Gefahren (zum Beispiel Versalzung der Böden und daraus resultierende Landerosion, regelmäßige Überschwemmungen oder Dürre) „vorzubereiten“. Dies steht in Anführungszeichen, weil es vielerorts schon viel zu spät ist, um sich zu wappnen. Die Auswirkungen des Klimawandels sind hier bereits deutlich zu spüren. Zum Beispiel haben uns Bewohner*innen der Insel erzählt, wo vor der letzten Sturmflut noch Land war, welches jetzt verschwunden ist, wo reihenweise Bäume in wenigen Jahren krank geworden sind, schließlich abgestorben sind oder das die Regenzeit nicht mehr zuverlässig kommt und die Ernte der Brotfrucht beeinflusst.

All diese Probleme sind natürlich nicht von jetzt auf gleich entstanden, das wissen wir auch. Sie wurden, laut Desmond Doulatram, schon 1991 in der ersten Rede, die ein Vertreter der Marschallinseln in der Vollversammlung der Vereinten Nationen gehalten hat, thematisiert. Er spricht sich dafür aus, dass es mehr Fairness zwischen den Nationen der Welt geben muss und dass es dem entsprechend mehr Unterstützung von den Staaten geben muss, die einen größeren Anteil an der Umweltzerstörung haben. Natürlich sieht er hier auch Deutschland in der Pflicht.

Bei der Frage, was er davon hält, dass wir, 3 Deutsche, den ganzen Weg bis nach Majuro zurücklegen und „nur für einen langen Besuch“ bleiben, gibt er uns ein etwas verzerrtes Lächeln. Einerseits ist eine weite Reise mit dem Flugzeug natürlich mit vielen klimaschädlichen Emissionen verbunden, aber andererseits ist er froh darüber, dass endlich ein Interesse besteht zu helfen und zu lernen.

Auch die koloniale Geschichte, die die Marschallinseln und Deutschland verbindet, spielt für ihn bei der Beantwortung dieser Frage eine Rolle. Die Marschallinseln waren ab den 1886 ein deutsches „Schutzgebiet“ und ab 1906 waren sie offiziell Teil der Kolonie Deutsch-Neuguinea. Desmond Doulatram findet daher, dass Deutschland um so mehr in der Verantwortung steht und ist auch in dieser Hinsicht positiv gestimmt darüber, dass jemand wie wir hierherkommt. Dies ist für ihn aber nur der Anfang eines langen Prozesses, der zur Aufarbeitung der Kolonialzeit hinzugehört. Er bemängelt auch, dass zahlreiche Gegenstände unter dem Vorwand des „Präservierens von Kulturgegenständen“ in deutschen Museen und Sammlungen versteckt sind. Zwar ist es für ihn von deutlich größerer Wichtigkeit, dass das kulturelle Erbe der Marschallinseln durch das „(Er-)Leben der Kultur“ weitergegeben wird, aber dennoch sind viele der Objekte unabdingbar.

Ein „Klima-Asyl-Abkommen“, wie es zum Beispiel zwischen Australien und Tuvalu geschlossen wurde, sieht Desmond nicht wirklich als Option. Das Leben auf den Marschallinseln und seine Kultur kann nicht einfach umziehen. Laut ihm wäre das eventuell sogar verfassungswidrig. Die richtige Richtung ist für ihn den Klimawandel so weit wie noch möglich zu bekämpfen und die Inseln und Atolle, bei denen das möglich ist, mit technischen Mittel zu verstärken.

Schon in den 90ern gab es Pläne die Marschallinseln durch Aufschüttungen künstlich zu erhöhen. Damals war an den Plänen die Regierung Japans beteiligt und da Japan nach Deutschland eine Kolonialmacht auf dem Gebiet der Marschallinseln war, sieht er auch hier eine Pflicht zur Hilfeleistung.

An diesem Punkt haben wir noch ein drittes Themenfeld angeschnitten. Wir wollten wissen, wie es um queeres ­Leben in der Republik Marschallinseln (RMI) steht. Desmond Doulatram sieht die RMI nicht als einen guten Ort für queere Menschen aber auch nicht als einen feindseligen. Das hat für ihn direkt damit zu tun, dass die Gesellschaft, aufgrund von intensiver Missionierungsarbeit, die von vielen Kirchen und christlichen Glaubensrichtungen hier auf den Marschallinseln schon seit Jahrhunderten betrieben wurde und immer noch wird, stark christlich geprägt ist. Er findet, dass Teile der ursprünglichen marshallischen Kultur, Tradition und Sprache, wie sie vor allem vor der Einführung des Christentums existierten, hilfreich sind für das Ablegen von Stereotypen. Dies ist der Fall, da zum Beispiel viele Gottheiten geschlechtslos waren und weil Teile der Sprache ebenfalls geschlechtsneutral ist. Dadurch, dass sich diese Aspekte der ursprünglichen Kultur mit anderen, für queere Personen eher negativen, Aspekte heute zu großen Teilen verschmolzen ist, ist die Akzeptanz gegenüber queeren Personen jedoch größer als vielerorts, wo die negativen Einflüsse herkommen.

Laut Desmond hat sich die RMI und ihre Gesellschaft aufgrund der drei C – Colonization, Christianity and Capitalism – so entwickelt, wie sie heute ist, also mit negativen und positiven Aspekten. Das vierte C – Culture – hilft ihm dabei gegen all das schlechte, was diese drei Einflüsse auf die Marschallinseln gebracht haben zu reflektieren und dagegen vorzugehen.

Wir haben insgesamt länger als eine Stunde erzählt und vor allem zugehört. Es wurden dem entsprechend noch einige weitere Themen angesprochen und die hier wiedergegeben noch weiter vertieft. Vielleicht machen wir dazu noch einen Post, aber das hängt von unseren weiteren Vorhaben und deren Zeitaufwand ab.

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